Eine Party für den Weihnachtsmann
Der Weihnachtsmann konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Gerade eben hatte er die letzten Geschenke an drei überglückliche Kinder ausgeliefert. Nun schleppte er sich zu seinem Schlitten. Auch seine Rentiere waren müde – sie hoben nicht einmal mehr die Köpfe, um ihn zu begrüßen. Zum Glück war der Schlitten jetzt leer, die Rentiere mussten also nicht mehr so schwer ziehen.
Der Weihnachtsmann stieg auf seinen Sitz, nahm die Zügel in die Hand und gab das Startsignal: „Ho, ho, ho!“, rief er. Die Rentiere zuckten noch nicht einmal mit der Wimper. „Jaja, ich weiß, ihr seid kaputt! Aber wir müssen heute noch nach Hause! Oder wollt ihr wieder in dieser windigen Hütte übernachten, wo sie euch im letzten Jahr die alten vertrockneten Bratäpfel aufgetischt haben?“ Sechs entsetzte Augenpaare schauten den Weihnachtsmann an. Und schon in der nächsten Sekunde machte der Schlitten einen riesigen Satz nach vorne, legte sich mit quietschenden Kufen in die Kurve und hob kurz danach in die Lüfte ab. „Na also, geht doch!“, brummte der Weihnachtsmann in seinen langen weißen Bart.
Zwei Stunden später krochen sie nur noch im Schneckentempo dahin. Außerdem lahmte eines der Rentiere. Es half alles nichts – sie brauchten eine Rast. „Haltet noch ein bisschen durch!“, rief der Weihnachtsmann nach vorne zu seinem Gespann. „Wir machen gleich eine Pause. Nur noch ein halbes Stündchen. Aber wenn sie dort wieder nur alte Bratäpfel haben, heize ich denen ein, das verspreche ich euch hoch und heilig!“
Nur ein paar Minuten später sahen sie helle Lichter vor sich. Was war das? Die erwartete Hütte konnte es nicht sein – die lag doch noch eine halbe Stunde entfernt und war längst nicht so schön beleuchtet! Auch die Rentiere hatten die Lichter gesehen. Und sie mussten etwas gewittert haben – denn auf einmal sausten sie dahin, als wären sie gerade erst aufgestanden. Da roch es der Weihnachtsmann auch: Es duftete unverkennbar nach frischen Bratäpfeln, gefüllt mit Rosinen und Marzipan!
Ein paar Sekunden später kam der Schlitten vor einem hell erleuchteten kleinen Häuschen zum Stehen. „Rudis himmlische Raststation“ stand auf einem Schild über der Tür. „Besser hätte ich das ja gar nicht planen können“, dachte sich der Weihnachtsmann. „Eine neue Raststation an der perfekten Stelle und genau zum richtigen Zeitpunkt!“ Er sprang vom Schlitten. Die Rentiere zappelten in ihren Geschirren und schnaubten. „Ja, ja, ist schon gut, ich bring Euch was mit!“, rief er über die Schulter und riss die Tür zur Raststation auf. „Ah, da bist du ja, wir haben dich schon erwartet“, begrüßte ihn freundlich ein Mann in einem karierten Hemd, Cordhosen und einer weißen Kellnerschürze. „Ich habe schon eine Kiste Bratäpfel für euch vorbereitet! Hier, bitte schön!“
Der Weihnachtsmann war sprachlos. „Äh“, sagte er nur und nahm vor lauter Verlegenheit seine rote Zipfelmütze mit dem weißen Pelzbesatz ab. „Aber woher weißt du denn, wer ich bin und dass ich hier vorbeikommen würde?“, fragte er. „Ach, du weißt doch, die Gerüchteküche. Man hört halt so dies und das. Aber jetzt nimm endlich die Bratäpfel, damit ihr schnell nach Hause kommt!“ Und ehe er sich versah, fand sich der Weihnachtsmann draußen vor der Tür der Raststation wieder, wo ihm die Rentiere die Kiste mit den Bratäpfeln leerfutterten, noch bevor er sie auf den Boden stellen konnte. Ihr Lieblingstreibstoff! Der Rest der Heimreise verging in Windeseile.
Als sie zu Hause eintrafen und den Schlitten zwischen dem Haus und dem Geschenkeschuppen parkten, wunderte sich der Weihnachtsmann. Im Schnee auf dem Hof waren viele Fußspuren zu sehen – woher kamen die? Sie waren doch nicht zu Hause gewesen, und es wussten auch alle, dass ein Besuch beim Weihnachtsmann um diese Zeit aussichtslos war! Außerdem stieg ihm der Geruch von Feuer in die Nase. Er schaute nach oben, und in der Tat: Aus dem Kamin seines Hauses quoll Rauch. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht!
Er sprang vom Schlitten, beruhigte die Rentiere, bewaffnete sich mit dem Schneeschieber, den er immer auf seinem Schlitten dabei hatte, und ging auf seine Haustür zu, Schneeschaufel voraus. Als er die Tür erreichte, wurde sie von innen mit einem großen Schwung aufgerissen: Licht quoll heraus, Wärme, Lachen, Musik, fröhliche Gesichter. „Überraschung!!!“ riefen die Engel, Nußknacker, Schneemänner, Wichtel und Waldschrate, die aus allen Teilen des Universums gekommen waren. Sogar ein paar andere Weihnachtsmänner waren da. Sie hatten den Heimweg offensichtlich schneller geschafft als er.
Der Weihnachtsmann ließ den Schneeschieber sinken. Er hatte keine blasse Ahnung, was das sollte. „Äh“, stammelte er, schon zum zweiten Mal an diesem Tag. „Sag bloß, du hast vergessen, welcher Tag heute ist!?“, sagte da Schneemann Olaf zu ihm. „Äh, ja, ich glaube fast, das habe ich vergessen. Mein Geburtstag ist doch erst im Mai!“, antwortete der Weihnachtsmann. Alle kicherten. Schneemann Olaf stemmte die Zweige in die rundlichen Hüften. „Also sowas, du lieber Weihnachtsmann! Heute vor 50 Jahren hast du deinen Dienst als Weihnachtsmann angetreten. Und seither so vielen Kindern die Geschenke gebracht, dass wir sie überhaupt nicht mehr zählen können. Das müssen wir feiern! Und dazu werfen wir jetzt mal als Erstes die Polarlichtermaschine an, darauf freuen wir uns schon die ganze Zeit. Komm endlich rein!“, sagte er, nahm dem Weihnachtsmann den Schneeschieber aus der Hand und zog ihn am Arm ins Haus.Auf der Erde merkten die Menschen nicht viel davon. Nur dass in den Weihnachtsnächten ununterbrochen die Lichter am Himmel tanzten. Ob da wohl irgendjemand vergessen hatte, nach der Party die Polarlichtermaschine wieder auszuschalten?